Perspektive Patentanwalt — ein Erfahrungsbericht

Dies ist ein Abdruck meines Buchbeitrags zu “Perspektive Patentanwalt 2010: Herausforderungen zwischen Technologie und Recht. Berufsbild, Ausbildung, Einstieg, Karrierewege” (e-fellows.net, 3. Auflage, Januar 2010).

Während meines Informatikstudiums hatte ich mich nie näher mit dem Beruf Patentanwalt befasst, da mir nicht bewusst war, dass Informatiker dort überhaupt gebraucht werden. Hinzu kam die kritische Haltung der Open Source-Community zu den sogenannten Softwarepatenten. Aus eigener Erfahrung kann ich inzwischen sagen, dass computerimplementierte Erfindungen an sich kein Hexenwerk sind und dass es gerade Patentanwälte mit Informatikhintergrund braucht, um die Rechtsprechung auf diesem sich gerade erst entwickelnden Gebiet zu prägen.

Was mich auf fachlicher Ebene besonders am Beruf Patentanwalt reizte (und bis heute reizt), ist die Schnittstellenfunktion zwischen Technik und Recht. Dabei liegt für mich die Herausforderung darin, aus der „ungefilterten“ Fülle technischer Details, in denen der Erfinder sein Produkt bzw. seinen Prototypen präsentiert, zunächst den Kern der Erfindung herauszuschälen. Dieser Kern muss anschließend so in eine Struktur gebracht werden, dass er den größtmöglichen Schutz genießen kann — und zwar im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, die abhängig von den Zielmärkten des Erfinderprodukts sehr unterschiedlich sein können. Sowohl im Patenterteilungsverfahren, als auch in nachgelagerten streitigen Verfahren ist für mich dabei die geforderte schnelle Durchdringung komplexer technischer Sachverhalte und deren präzise juristische Argumentation ausschlaggebend.

Dass die Kommunikation mit Erfindern, Patentämtern, Gerichten, „gegnerischen“ Patentanwälten sowie Wettbewerbern und Nachahmern des Erfinders zum Großteil schriftlich stattfindet, empfinde ich nicht als Nachteil. Man sollte allerdings Freude am Schreiben und insbesondere am exakten Formulieren auf Deutsch und Englisch mitbringen.

Neben diesen fachlichen Aspekten sind für mich die weiterhin sehr guten Berufsaussichten, das leistungsabhängige Einkommen nach der Ausbildung und nicht zuletzt die weiteren Karrierechancen ausschlaggebend. Gerade in einer großen Kanzlei mit einer Vielzahl von Angestellten, die die Anwälte unterstützen, reizt mich die Chance, neben der fachlichen Arbeit auch Führungsaufgaben innerhalb des „Unternehmens Kanzlei“ übernehmen zu können.

Kanzlei oder Industrieunternehmen?

Für mich persönlich kam nur eine Kanzlei als Ausbildungsstätte in Frage. Mein Eindruck, dass eine Privatkanzlei aufgrund unterschiedlichster Mandate und damit verbundener Technikgebiete ein besonders abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld bieten kann, hat sich bis heute bestätigt. Ferner fiel meine Wahl auf eine Großkanzlei, da ich dort die Möglichkeit sah, neben dem Patenterteilungsverfahren auch in hochkarätigen Streitverfahren mitzuwirken. Die von meiner Ausbildungskanzlei angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten, wie z.B. eine regelmäßige Vorlesungsreihe, sind darüber hinaus Services, die wohl nur große Kanzleien leisten können.

Die unvermeidbare Spezialisierung des Einzelnen in einer Großkanzlei sehe ich persönlich als Chance, besondere Expertise im Patentrecht zu erlangen. Allerdings ist hier während der Ausbildung Eigeninitiative gefragt, um auch in angrenzende Gebiete wie das Marken- oder Geschmacksmusterrecht zu schnuppern, mit denen man im Tagesgeschäft möglicherweise wenig zu tun hat.

Der Arbeitsalltag eines Patentanwaltskandidaten

Den Arbeitsalltag in meiner Ausbildungskanzlei empfinde ich als herausfordernd und befriedigend zugleich, da ich vom ersten Tag an auf echte Mandanten „losgelassen wurde“. Die Arbeitsweise war für mich anfangs ungewohnt, da man stets gegen harte Fristen arbeitet und sich bei entsprechender Auftragslage so mancher Feierabend nach hinten verschieben kann. Ferner ist Effizienz die oberste Maxime bei der täglichen Arbeit als Patentanwalt, da in diesem Beruf ein direkter Zusammenhang zwischen persönlicher Leistung und finanziellem Erfolg besteht. Gerade diese Aspekte zeichnen für mich den Beruf des Patentanwalts besonders aus.

Das parallele Studium an der Fernuni Hagen und die weiteren Lehrveranstaltungen sind zwar aufgrund der Stoffmenge nicht zu unterschätzen und sorgen für Beschäftigung an manchen Abenden und Wochenenden. Die behandelten Themen wie z.B. das Zivilrecht finde ich aber interessant, da diese auch im Privatleben relevant sind.

Tipps für Interessenten

Den Beruf des Patentanwalts kann ich jedem empfehlen, der

  • Spaß am exakten Formulieren und Argumentieren komplexer technischer Sachverhalte hat, auch jenseits des eigenen Spezialgebiets;
  • bereit ist, einen Beruf auszuüben, der keine „nine-to-five“-Arbeitszeiten mit Überstundenabbau bietet, sondern bei dem effiziente Leistung direkt entlohnt wird;
  • kein Problem damit hat, selbst nichts zu erfinden, sondern seine Kreativität auf das Argumentieren und Durchsetzen des vom Erfinder gelieferten Materials und dessen Interessen zu richten; und
  • der darüber hinaus ein ausreichendes Maß an Organisationstalent mitbringt, um sich Arbeit, Fernstudium, Klausuren, usw. selbständig einzuteilen, sowie Eigenmotivation und -disziplin, um auch unter hohem Auftrags- und Termindruck einen kühlen Kopf zu bewahren.

Dies ist ein Abdruck meines Buchbeitrags zu “Perspektive Patentanwalt 2010: Herausforderungen zwischen Technologie und Recht. Berufsbild, Ausbildung, Einstieg, Karrierewege” (e-fellows.net, 3. Auflage, Januar 2010).